KÜNSTLERHAUS

BETHANIEN

Ausstellung

Lauryn Youden

Visionary of Knives

Lauryn Youden, Visionary of Knives, 2020, Installation (detail), unterschiedliche Materialien, Dimensionen variabel. Courtesy the artist.

Zentraler Gegenstand der Ausstellung Visionary of Knives von Lauryn Youden sind zwei nahezu vier Meter breite Wand-Altäre. Bestückt sind diese mit getrockneten Blumen, Arzneimitteln, Kräutern, Büchern, Kerzen und rituellen Gegenständen, welche die Überlebensstrategien dokumentieren, die Youden in unserer ableistischen Welt für sich entwickelt hat. Visionary of Knives ist ein Ort des Rückzugs und der Ruhe sowie der Bildung und des Protests. Ursprünglich erdacht als Treffpunkt für queere Crip-Communities¹, wurde durch die Umstände von Covid-19 ein Raum daraus, der die physische Isolation und Abwesenheit widerspiegelt, welcher sich Menschen mit Be_hinderung² intensiviert ausgesetzt finden. Die Ausstellung trägt Youden’s persönliche Sammlung von Literatur und Magazinen zu verschiedenen Fürsorgepraktiken und Sorgearbeit queerer, be_hinderter Künstler*innen, Heiler*innen, Schriftsteller*innen und Denker*innen zusammen. Sie lädt nicht nur dazu ein, den Ursprung dieser Diskurse zu verfolgen sondern auch der Community zu begegnen, der diese gewidmet sind.

In einer durch Pandemie und globale Unsicherheit geprägten Zeit, in welcher die Lebenswirklichkeit Be_hinderter näher an die Realität ‘fähiger’ Menschen rückt, finden diese Diskurse neue Resonanz. Die Künstlerin lädt dazu ein, teilzunehmen und von der Weisheit kranker und be_hinderter Menschen zu lernen, während sich um uns alle eine Welt offenbart, in welcher wir unweigerlich auf Barrieren stoßen und Krankheit eine alltägliche Bedrohung darstellt.

¹„Crip“  ist ein Begriff, den viele Menschen in der Behindertenforschung und in aktivistischen Gemeinschaften nicht nur in Bezug auf Menschen mit Behinderungen verwenden, sondern auch in Bezug auf die intellektuelle und künstlerische Kultur, die aus solchen Gemeinschaften entsteht. „Crip“  ist die Abkürzung für das Wort „Krüppel“, das als Beleidigung gegenüber Menschen mit Behinderungen verwendet wurde (und wird), das aber als gruppeninterner Begriff der Ermächtigung und Solidarität wegen wieder verwendet wird. Carrie Sandahl (2003), eine frühe Befürworterin des sozialen und politischen Potenzials des Begriffs, beschreibt „Crip“ als einen „flüssigen und sich ständig verändernden“ Begriff, der „nicht nur auf Menschen mit körperlichen, sondern auch auf solche mit sensorischen oder geistigen Beeinträchtigungen ausgedehnt wurde“. (Weiterführende Informationen: Alison Kafer: Feminist Queer Crip, Indiana University Press, 2013)

²Be_hinderung: Behindert ist man nicht – behindert wird man. Um diesen von Behindertenrechtsaktivist*innen proklamierten Slogan auch in der alltäglichen Sprache zu verankern und die Behinderung durch äußere Umstände sichtbar zu machen, kann der Unterstrich verwendet werden: be_hindert. Er zeigt auf, dass jeder Mensch mit Behinderung zugleich auch von äußeren Umständen oder anderen Menschen behindert wird. (weiterführende Informationen: „Hä? Was bedeutet be_hindert?“, Katharina Payk, Missy Magazine, 2019)

Lauryn Youden *1989 in Vancouver, Kanada, lebt und arbeitet in Berlin und Vancouver. Sie ist Mitbegründerin und Co-Direktorin von Ashley Berlin und organisatorisches Mitglied der Sickness Affinity Group (SAG). Ihre Arbeiten werden 2020 im Rahmen des Filmprogramms PRESENTS im Haus der Kulturen der Welt und der Reihe Next Waves Theatre im Roten Salon der Volksbühne sowie im kommenden Jahr in den Gruppenausstellungen Kosmos — Emma Kunz, Aargauer Kunsthaus, und The Archive Show, E-WERK Luckenwalde, zu sehen sein. Die Ausstellung ist Teil des Kulturprogramms Kanadas als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse und wird unterstützt durch das Canada Council for the Arts und die Regierung von Kanada.

AUSSTELLUNG
02.10. – 25.10.2020
Di - So: 14 - 19 Uhr
Eintritt frei

KÜNSTLERPORTRAIT
Lauryn Youden