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Perceive Shadows in Mother Tongue
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Chia Amisola
© Laurianne Bixhain
Die Ausstellung „tout geste est renversement“ von Laurianne Bixhain (lebt und arbeitet in Luxemburg) lädt Besucher*innen in eine vielschichtige Assemblage ein: eine Serie von Fotografien, die in kühlen Aluminiumrahmen zu schweben scheinen, Textfragmente, in Clustern auf den Wänden und eine vibrierende Metallplatte, aus der sich überlagernde Stimmen erheben. Diese Elemente verbinden sich nach und nach zu einem Gewebe aus Motiven, das Bild, Wort und Klang ineinanderfließen lässt.
Laurianne Bixhain befasst sich in ihrem bildnerischen Werk mit mechanischen Prozessen der Massenproduktion. Besonders Glas und Diamanten rücken in den Fokus ihrer Bilder, die weniger den Produktionsprozess als solchen dokumentieren wollen, als vielmehr die Veränderung der Materialien und Objekte in den verschiedenen Stadien der Produktion und in der frenetischen Bewegung der Maschinen zeigen. Die kühlen Farben der Industriegeräte und die sich auflösenden Konturen der Produkte erzeugen neue ätherische Kompositionen. Die Fabrik wird zu einer Bühne der Produktion, deren Protagonist*innen einen schwindelerregenden Tanz aufführen.
Die Textfragmente der Künstlerin Chloe Chignell schmiegen sich an die Fotografien an und bilden Cluster. Sie greifen die Bildmotive auf textlicher Ebene auf, transformieren sie jedoch ins Imaginäre und lösen sie dadurch weiter auf. Der Text nimmt den Maschinenrhytmus der Klangkomposition auf formaler Ebene auf. Zeilensprünge markieren abrupte Bewegungsabläufe, Buchstaben und Wörter werden ausgestanzt und Leerstellen bilden Codes, die im Kopf der Lesenden wiederum zu einer Melodie heranwachsen.
Die klangliche Ebene wird durch eine Komposition der Vokalistin Stine Janvin erweitert, die einen Text in eine dreistimmige vokale Struktur überführt. Der Klang wird zu einem Echo der Bilder und Texte – zu einem weiteren Bindeglied, das alle Elemente in der Ausstellung vernetzt.
Zentral in der Ausstellung ist ein großformatiges Porträt in giftigen Gelbtönen, das eine Frau beim Ausführen einer zarten Handbewegung zeigt. Diese Momentaufnahme stammt aus der Tanzperformance „Shadow Text“ von Chloe Chignell und Amina Szecsödy, inspiriert vom Roman „Les Guérillères“ (1969) von Monique Wittig. Die Besonderheit des Romans ist die Verwendung des französischen Personalpronomens „elles“ (deutsch: „Sie“) als Stilmittel, um die feministische Utopie einer autonomen Gemeinschaft weiblicher Wesen darzustellen. Der schwarz-weiß-Kontrast des Negativs wird in ein gelb-goldenes Farbschema übersetzt. Durch die Umkehrung entsteht der Eindruck, die Tänzerin würde eine Maske tragen. Die Künstlerin stößt in diesem Bild einen Diskurs über die gesellschaftliche Normierung binärer Identitätsmodelle an, kehrt diese ganz im Sinne der literarischen Vorlage um und transformiert sie in eine offene Erzählung.
Bixhains Werk stellt die gängige Vorstellung von Ursache und Wirkung zwischen industrieller Produktion und menschlichem Verhalten infrage und dreht diese Beziehung um: So wie Werkzeuge ein Objekt formen, beeinflusst das fertige Produkt wiederum die Form und den Einsatz des Werkzeugs. Ebenso wenig ist die Sprache nur Ausdruck des Körpers – sie prägt und formt ihn zugleich. In diesem Sinne ist jede Bewegung, jeder Prozess eine gegenseitige Einflussnahme, eine wechselseitige Veränderung, ein ständiges Spiel von Aktion und Reaktion. „tout geste est renversement“, oder „Jede Geste ist Umkehrung“ – ein Prinzip, das Bixhains Werke als poetischen Ausdruck von Transformation und Austausch durchzieht.
AUSSTELLUNG
08.11. – 08.12.2024
Di - So: 14 - 19 Uhr
Eintritt frei
ERÖFFNUNG
07.11.2024
19 Uhr
KÜNSTLERPORTRAIT
Laurianne Bixhain