KÜNSTLERHAUS

BETHANIEN

Ausstellung

THEODOULOS POLYVIOU & DAKIS PANAYIOTOU

Transmundane Economies

Bild: Theodoulos Polyviou & Dakis Panayiotou, Transmundane Economies VR view III, 2021, Site-specific Virtual reality Installation, Maße: 12 m x 6 m x 3 m, Courtesy the artist

Die Abtei Bellapais, die Ruine eines Klosters aus dem 13. Jahrhundert im Norden Zyperns, ist Gegenstand der Untersuchung für die ortsspezifische, virtuelle Installation Transmundane Economies. Das Kloster ist das steinerne Zeugnis vieler Leben und hat sich im Laufe der Jahrhunderte durch die verschiedenen Kolonialperioden sowohl architektonisch als auch kulturell, organisatorisch und betrieblich verändert.

Theo & Daki befassen sich mit der langen, sich wandelnden Geschichte der Abtei Bellapais, um die Codes und Hierarchien zu erörtern, die sich im Laufe der Jahre herausgebildet und in sie eingeschrieben haben. Im Zuge der Untersuchung von Erzählungen, Liturgie und Geschichte und ausgehend von der architektonischen Struktur und der zeremoniellen Nutzung des Ortes spekulieren die Künstler über die Beziehung zwischen Queerness, Restaurierung und Neuerfindung.

Die Besucher der Ausstellung tauchen in die teilweise Rekonstruktion des gotischen Refektoriums des Klosters mit Hilfe der VR-Technologie ein, die auf Zeichnungen von George Jeffrey aus dem Jahr 1912 basiert. Auf
 diese Weise werden alternative Wege und Nutzungsmöglichkeiten, die von den kolonialen Eingriffen der Vergangenheit abweichen, sichtbar und zugänglich. Die virtuelle Architektur, die in ihrer digitalen Übersetzung sakral und doch frei von christlichen Intentionen erscheint, legt ihrerseits die gesellschaftspolitische Verfasstheit des Klosters offen. Neben dieser konzeptionellen Grundlage machen die Künstler durch die virtuelle Übertragung des Ortes in den Galerieraum die Ruine eher zu einem Ereignis als zu einem Objekt und schlagen auf diese Weise eine Alternative zum Erwerb vor.

Die zypriotisch-orthodoxe Kirche übt einen starken Einfluss auf die politischen Angelegenheiten Zyperns aus und beteiligt sich an der Instrumentalisierung der nationalen Kollektivität, oft durch die Aufsicht über Geschlecht und Sexualität. Dabei beansprucht sie, die griechischen Zyprioten vor dem „ethnischen Anderen“ zu schützen, wie es Nayia Kamenou in ihrem Text Sexuality, Gender and Nationhood in Cyprus beschreibt, und nutzt somit die postkolonialen Milieus des Landes aus. Die queere Gemeinschaft auf der gesamten Insel ist daher nicht nur einer Marginalisierung aufgrund ihrer Sexualität ausgesetzt, sondern aufgrund aller Prozesse der Identitätsbildung, die ihre Körper konstituieren: Rasse, Klasse und Geschlecht. Transmundane Economies ist ein Angebot, über Mechanismen der Ein- und Ausgrenzung zu diskutieren und über die Möglichkeiten eines jeden Ortes nachzudenken, seine eigene Körperlichkeit zu transzendieren und damit seiner verkörperten ideologischen Aufladung und Macht zu entkommen.

Theodoulos Polyviou (*1989 in Nikosia, Zypern) & Dakis Panayiotou (*1988 in Limassol, Zypern) = Theo & Daki, sind ein Künstlerduo aus Zypern, das seit 2018 zusammenarbeitet. Die beiden versuchen, durch ihre Arbeit eine intellektuelle und ästhetisch praktische Einheit zu finden. Die Verschmelzung ihrer Praktiken ist politisch motiviert und hebt die einseitige Orientierung auf das individuelle kreative Einzelschöpfertum auf, um Möglichkeiten zu eröffnen, über eine „hybride“ Produktionsweise nachzudenken. Theo & Daki haben ihre Forschungen rund um die virtuelle Realität aus einer dekolonialen Position heraus entwickelt und dabei das Ausstellungswesen durch virtuelle und erfahrungsorientierte Ereignisse neu verortet, indem sie sich von den vorherrschenden, institutionellen Erzählungen abwenden. In einer Ära der virtuellen Staatsbürgerschaft, in der politische Entscheidungen und Gesetze den physischen Raum in ein virtuelles Territorium verwandeln, greifen diese Künstler Zypern als kolonisierten Ort innerhalb der EU-Grenzen wieder auf.

Im Jahr 2021 stellten Theo & Daki ihre Arbeiten im zyprischen Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig aus.

Die in Berlin lebende Schriftstellerin Jazmina Figueroa wurde beauftragt, ein Klangstück für die Installation im Künstlerhaus Bethanien zu arrangieren.

THEODOULOS POLYVIOU ist Stipendiat der UNDO Contemporary Arts and Cultural Services und des Ministeriums für Bildung und Kultur der Republik Zypern.

 

 

AUSSTELLUNG
14.01. – 06.02.2022
Di - So: 14 - 19 Uhr
Eintritt frei

ERÖFFNUNG
14.01.2022
14 - 19 Uhr

KÜNSTLERPORTRAIT
Theodoulos Polyviou