KÜNSTLERHAUS

BETHANIEN

Ausstellung

Placeholder

Sara Wu

In ihrer Ausstellung Placeholder im Künstlerhaus Bethanien versetzt Sara Wu das Publikum in eine ungewohnte räumliche Situation: eine langgezogene Konstruktion versperrt den wandernden Blick, ein kontemplatives Verweilen scheint unmöglich. Leerstellen in den Wänden betonen die architektonische Konstruktion und ihrer Platzierung im Raum, stellenhaft unterbrochen durch skulpturale Elemente, die wie die Erinnerung an eine Nutzung oder Tätigkeit in Erscheinung treten und in ihrer Verortung doch fremd wirken.

Eingebettet in den Korridor eröffnet sich eine Landschaft aus „Systemen“. So nennt die Künstlerin die Ansammlung von modifizierten Alltagsobjekten. Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs und der Wegwerfgesellschaft in ungewöhnlichen Proportionen verwandeln konventionelle Vorstellungen ihrer Funktionalität ins Absurde und verschmelzen mit der modellhaften Architektur zu surrealen Collagen. So entsteht eine Landschaft aus Dingen, die ihrer Funktion enthoben und nach rein ästhetischen Kategorien neu geordnet und transformiert wurden.

Der in sich verschachtelte Raum, die ungewöhnlichen Proportionen und Überlagerungen der Objekte brechen mit alltäglichen Wahrnehmungsmustern. Obwohl ganz im Reich des euklidischen Raums verankert und physisch erfahrbar, erweckt Sara Wus Raumkonstruktion den Eindruck einer digitalen Architekturskizze oder eines virtuellen Renderings. Wie bei Glitches – digitalen Bildfehlstellen – verschwimmen die Grenzen zwischen realem Raum und seiner Abbildung.

Sara Wu beobachtet und sammelt Räume häufig mit Hilfe der Fotografie und führt somit Übungen durch, bei denen sie dem Sehsinn erlaubt, andere Sinne zu leiten, wodurch die Lebenswelt, die zu Oberflächen komprimiert wurde, neu erlebbar gemacht werden. Durch die Begegnung mit und die Umwandlung von Bildern, Installationen und gefundenen Objekten in verschiedenen Räumen erforscht ihre Arbeit, wie Materie Informationen in unterschiedlichen räumlich-zeitlichen Erzählungen enthüllt und verbirgt, und welche kollektiven sozialen Phänomene durch Objekte und ihre Konstellation hervorgerufen werden.

Die Raumerfahrung in der Ausstellung ist vor allem deshalb so irritierend, weil die eingearbeiteten Elemente und Module einer modernen Ideologie von Interieur entliehen sind, die sich im frühen 20. Jahrhundert entwickelt hat und durch eine grundlegende Neubewertung von Privatem und Öffentlichkeit gekennzeichnet ist. Die Ausstattung einzelner Zimmer wird durch die neuen gesellschaftlichen Aufgaben bestimmt. Besonders prägnant ist dabei die Metamorphose der Küche als neuer Arbeitsplatz. 1926 entwarf die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky die „Frankfurter Küche“ – der Urtyp der modernen Einbauküche. Als neues Einbaumodell sollte die Küche so praktisch wie ein industrieller Arbeitsplatz gestaltet sein. Was zunächst als gestalterische Maßnahme zur Steigerung der Produktivität und Verkürzung der Arbeitsprozesse der „modernen Hausfrau“ verstanden wurde, führte in den darauffolgenden Jahrzehnten zu einer Mechanisierung der Wohnverhältnisse und zementierte die Rolle der Frau als unbezahlte Arbeitskraft, die nun noch mehr in den Grundriss der Küche verbannt wurde.

Die Verschmelzung von architektonischen Passagen oder sogenannten Nicht-Orten mit Elementen hochfunktionaler Räume führt in der Ausstellung von Sara Wu zu einem surrealen Schwebezustand zwischen Privatheit und Öffentlichkeit. Ein Phänomen, dass immer mehr den Alltag bestimmt, vor allem durch die wachsende Bedeutung der sozialen Medien. Der physische Raum wird von der Künstlerin als lediglich eine von vielen Wahrnehmungsformen entlarvt und so umgestaltet, dass eine Vielzahl von Perspektiven und Aktionsmustern ineinanderfließen.

Mit Placeholder schafft Wu eine begehbare, physische Reflexion über die Beziehungen zwischen Architektur, Funktion und Wahrnehmung. Die Ausstellung fordert das Publikum auf, sich aktiv mit Raum, Bewegung und gesellschaftlichen Strukturen auseinanderzusetzen.

AUSSTELLUNG
11.04. – 15.06.2025
Mi - So: 14 - 19 Uhr
Eintritt frei

ERÖFFNUNG
10.04.2025
19 Uhr

KÜNSTLERPORTRAIT
Sara Wu