KÜNSTLERHAUS

BETHANIEN

Ausstellung

Green Growth

Steinunn Önnudóttir

Für ihre Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien zum Abschluss ihrer Residency entwickelt Steinunn Önnudóttir eine ortsspezifische Installation, die die fragile Balance zwischen Zerfall und Wachstum erforscht. Sie setzt sich mit der visuellen und materiellen Sprache dieser Prozesse auseinander und macht die subtilen, oft unbemerkten Dynamiken sichtbar, die den urbanen Raum durchziehen. Im Zentrum steht das Spannungsfeld zwischen der unaufhaltsamen Kraft der Natur und den Bestrebungen des Menschen, sie zu kontrollieren: Wurzeln, die den Asphalt sprengen, Efeu, das sich durch Zäune windet – Sinnbilder einer widerständigen Natur, die sich trotz urbaner Beschränkungen ihren Raum nimmt. Auf Basis intensiver Beobachtungen Berlins untersucht die Installation das komplexe Wechselspiel von Stadt, Natur und kapitalistischen Umweltstrategien, insbesondere im Kontext sogenannter „grüner“ Investitionen und deren oft ambivalenter Auswirkungen.

Eine massive, raumgreifende Rundbogenkonstruktion bildet das Herzstück der Installation. Schmauchspuren evozieren industrielle Produktionsprozesse, während ihre Form romantische Assoziationen einer idealisierten Naturkulisse weckt. Doch diese Illusion zerfällt: Eine große, baumartige Skulptur liegt entwurzelt am Boden, Sinnbild für das Spannungsverhältnis zwischen natürlichem Wachstum und menschlichem Eingriff. An den Wänden scheint Algenwachstum emporzusteigen – eine Erweiterung malerischer Praxis, die zwischen Kontrolle und Zufall oszilliert. Die Fenster sind mit einem grünlichen Film überzogen, der die Sicht auf die Außenwelt verzerrt, als läge ein Schleier über der Wahrnehmung. Architektonische Elemente des Raumes werden bewusst integriert, um die Grenzen zwischen Innen und Außen herauszufordern. Durch die Verwendung von Materialien in verschiedenen Stadien des Verfalls macht die Künstlerin den ständigen Übergang zwischen Wachstum und Zersetzung sichtbar.

Steinunn Önnudóttir betrachtet die Prozesse von Wachstum und Verfall als Metaphern für die Auseinandersetzung mit der kapitalistischen Logik, die Natur als Ressource instrumentalisiert, während sie gleichzeitig versucht, ihre unkontrollierbaren Aspekte zu domestizieren. Ihrer Arbeit liegt eine kritische Auseinandersetzug mit den Konzepten „Green Growth“ und „Degrowth“ zugrunde – zwei gegensätzliche Positionen innerhalb der ökologischen Nachhaltigkeitsdebatte. Während „Green Growth“ wirtschaftliches Wachstum durch technologische Innovationen und vermeintlich nachhaltige Produktionsmethoden innerhalb eines kapitalistischen Systems vorantreibt, fordert „Degrowth“ eine tiefgreifende Reduktion wirtschaftlicher Aktivitäten, um natürliche Ressourcen zu bewahren.
Mit ihrer Arbeit untersucht Steinunn Önnudóttir, wie der Begriff „grün“ zunehmend instrumentalisiert wird, um kapitalistische Agenden zu verschleiern.Doch jenseits der politischen Dimension bleibt die Installation ein stilles, kraftvolles Bild für die Unaufhaltsamkeit natürlicher Prozesse – für das Fließen der Zeit, das Vergängliche, das Unkontrollierbare.

Die Installation wird zur Bühne, auf der sich Natur und Künstlichkeit begegnen – ein Bild zwischen Idylle und Unheil, zwischen Utopie und Verfall. Die Elemente im Raum erscheinen wie Relikte einer vergangenen oder zukünftigen Zeit, sie oszillieren zwischen Konstruktion und Dekonstruktion, Kontrolle und Chaos. Die Künstlerin öffnet ein Fenster in eine andere Welt – eine Welt, in der sich Natur und Zeit nicht zähmen lassen, sondern in ihrem eigenen Rhythmus entfalten.

AUSSTELLUNG
11.04. – 15.06.2025
Mi - So: 14 - 19 Uhr
Eintritt frei

ERÖFFNUNG
10.04.2025
19 Uhr

KÜNSTLERPORTRAIT
Steinunn Önnudóttir