KÜNSTLERHAUS

BETHANIEN

Ausstellung

Blue-Black

Manar Moursi

Auf unterschiedlichen Ebenen – körperlich, ökologisch, historisch und persönlich– untersucht die Ausstellung Blue-Black von Manar Moursi die anhaltenden Spuren kolonialer und ökologischer Gewalt. Die Arbeiten, die Video, Performance, Skulptur, Installation und kollektive Workshops umfassen, untersuchen, wie sich die Geschichten von Ausbeutung in Landschaften und Körper eingeschrieben haben– nicht als passive Spuren, sondern als etwas, das die Gegenwart aktiv bestimmt. Ökologische Gewalt ist hier untrennbar mit kolonialen Geschichten und laufenden neokolonialen Projekten der Landbewirtschaftung, Ausbeutung von Arbeitskräften und der Kontrolle von Körpern verbunden. Rituale, Storytelling und kollektive Schaffensprozesse werden in dieser Ausstellung genutzt, um die Weigerung, ausgelöscht zu werden, als Form des Widerstand sichtbar zu machen.

Im Zentrum der Ausstellung steht die Installation Severed Ground, in der amputierte Stoffglieder sich mit Trümmern, getrockneten Pflanzen und Mini-Projektoren verwoben werden, die Everything that Remains to be Lived zeigen. Die Installation verknüpft körperliche Trauma, Umweltzerstörung und Spuren historischer Gewalt. In der Gegenüberstellung von Land- und Köperfragmenten wird spürbar, wie Vertreibung auf unterschiedlichen Ebenen wirkt – wie Dürre die Zerschlagung von Gemeinschaften und Umweltzerstörung erzwungene Migration und Krieg widerspiegelt. Die Projektionen auf den Trümmern dokumentieren nicht nur Verlust, sondern beharren auf der Präsenz dieser Geschichten, weigern sich, diese unter Vernachlässigung, Stadtneugestaltung und Spekulationsprojekten verschwinden zu lassen. Um dies zum Ausdruck zu bringen interagiert die Künstlerin körperlich mit den Ruinen osmanischer Hammams in Kairo. Von einst über 137 existierenden Hammams, Orten gemeinschaftlicher Fürsorge, sind heute nur noch vier funktionstüchtig. Das Malatili Hammam (erbaut 1780) und das kürzlich eingestürzte Hammam el-Tambali sind keine konservierten Monumente, sondern fragile, materielle Zeugen von Zyklen der Pflege, des Verfalls und der Zerstörung. Im Malatili reinigt sich die Künstlerin mit Steinen aus einem osmanischen Badehaus in Sliven, Bulgarien, die ihr im Rahmen eines kollaborativen Projekts angeboten wurden. Diese Steine reibt sie gegen ihre Haut, eine Geste von Bewahrung und Auflösung, Anstrengung und Fürsorge. Im Tambali, dessen Struktur begonnen hat zu zerfallen, wird der Stein als Zeichenwerkzeug genutzt, um die Risse, Texturen und Überreste seiner bröckelnden Oberflächen nachzuvollziehen. Diese Gesten spiegeln den langsamen Zerfall der Hammams wider und verwandeln den Akt des Badens in eine flüchtige Form des Einschreibens. Die Zerstörung historischer Hammams heute spiegelt die rasante Entwicklung von Spekulations- und Infrastrukturprojekten in Kairo wider – Bestrebungen, die wirtschaftliches Wachstum über den Erhalt historischen Erbes und die Kontinuität gelebter städtischer Räume stellen.

Daneben platziert die Künstlerin die Videos Rainbow Moon und Summer, God, Rain nebeneinander. Diese Arbeiten befassen sich mit dem Peperuda-Regenritual, das seinen Ursprung im Balkan hat. Sie greifen Themen wie Fruchtbarkeit und zyklische Erneuerung auf und heben dabei die Rolle von Frauen im in der Pflege der Umwelt und den natürlichen Zyklen hervor. Rainbow Moon verortet das Peperuda-Ritual in der Berliner Landschaft, in der sich die Dürre seit 2018 verschärft hat, was zu einem Rückgang des Grundwassers geführt hat. Das Video dokumentiert auf der einen Seite die Anfertigung des Peperuda-Kostüms aus Pflanzen und eine rituelle Auseinandersetzung mit dem trockenen Berliner Boden, auf der andere Seite zeigt eine verlangsamte Sequenz die Künstlerin an einem Brunnen im Treptower Park. Die Wahl des Treptower Parks und seiner sowjetischen Architektur aus der Zeit der DDR stellt eine Verbindung zu Bulgarien her. Das Peperuda-Ritual wird hier zu einer Beschwörung, zu einer Möglichkeit, das Unsichtbare sichtbar zu machen: die langsame Gewalt der Umweltveränderungen und die leisen Akte der Fürsorge, des Umweltschutz, die dagegen ankämpfen. In Summer, God, Rain performt die Künstlerin das Peperuda-Ritual vor dem verlassenen Badehaus in Sliven, um symbolisch Wasser an einen Ort zurückzubringen, der lange ausgetrocknet ist.

Begleitend dazu präsentiert die Künstlerin das Video Rivering Together, das im Rahmen eines Workshops im Dar Bellarj in Marrakesch entstanden ist. Es untersucht die politischen Dimensionen der Wasserversorgung und die Beziehung der Stadt zum Ourika-Fluss. Wasser wird hier nicht nur als Ressource, sondern auch als Raum für Rituale, Transformation, Widerstand und Heilung dargestellt – aus einer feministischen, dekolonialen Perspektive betrachtet. Die Teilnehmer*innen tauschten persönliche Erfahrungen aus, diskutierten ökologische Gerechtigkeit und erstellten ein kollektives Zine mit Erzählungen, botanischem Wissen und Reflexionen über Wasserknappheit. Über diese Bilder schichtet die Künstlerin eine weitere visuelle Ebene: die Zeichnung eines amputierten Gliedmaßes, die körperliches Trauma mit der Verstümmelung von Landschaft durch Krieg und Umweltzerstörung verknüpft – Themen, wie sie auch die Poesie von Manar Moursi prägen. Das Fragment einer toten Palme daneben betont noch einmal die Themen von Fragmentierung und Verlust und wird so zum markanten Symbol für Umweltzerstörung und Vertreibung.

Diese Verstrickung wird weiter im Video A Funeral at the Edge of Drought untersucht, das die gravierende Dürre der marokkanischen Tighmert-Oase thematisiert, die durch industrielle Monokultur verursacht wurde. Durch die Verknüpfung von mündlichen Überlieferungen, Ritualen und Landschaftsaufnahmen zeigt das Werk, wie kapitalistische Landwirtschaft und Klimawandel sowohl menschliche als auch nicht-menschliche Gemeinschaften entwurzeln.

Die Textsammlung Blue-Black Liver, die erstmals in dieser Ausstellung präsentiert wird, gräbt aus, was unter der Oberfläche liegt – was den Körper, das Land durchdringt und der Stille widersteht. Durch das Verweben poetischer Reflexionen mit theoretischen Untersuchungen beleuchtet die Sammlung von Texten, wie koloniale Gewalt, Umweltzerstörung und körperlicher Widerstand miteinander verflochten sind. Ökologie ist hier kein abstraktes Konzept, sondern etwas Gelebtes, etwas, das als Waffe genutzt wird: Boden, der durch den Krieg aufgerissen wurde, Wasser, das zurückgehalten, vergiftet oder umgeleitet wurde, Abrissstaub, der tief in den Lungen derer liegt, die zum Verschwinden gebracht wurden. Die Texte drücken aus, dass das Persönliche und das Ökologische als untrennbar miteinander verbunden sind, dass Landschaften nicht passiv sind, und dass das, was verschüttet wurde, nie wirklich verschwunden ist. Durch eine Poetik der Verweigerung und Beharrlichkeit wird Verlust nicht nur als Zustand, sondern als Ort der Neuerfindung und Wiederaneignung begreifbar.

Manar Moursis Ausstellung verdeutlicht, dass Geschichte in Landschaften und Körpern eingeschrieben ist – nicht als statische Spuren, sondern als solche, die gegenwärtige Bedingungen formen. Die Arbeiten zeigen wie ökologische und koloniale Gewalt in materiellen und sinnlichen Erfahrungen verankert bleibt. Gleichzeitig zeigen sie, wie Landschaften und Körper sich erinnern, sich der Auslöschung widersetzen und immer wieder ihre Präsenz zurückfordern. So verwandeln sie Trauer in Widerstandsfähigkeit, Verstümmelung in kollektiven Widerstand und die Überreste von Vertreibung in Orte der Erneuerung.

AUSSTELLUNG
11.04. – 15.06.2025
Mi - So: 14 - 19 Uhr
Eintritt frei

ERÖFFNUNG
10.04.2025
19 Uhr

KÜNSTLERPORTRAIT
Manar Moursi