KÜNSTLERHAUS

BETHANIEN

Ausstellung

ANNA JÚLÍA FRIÐBJÖRNSDÓTTIR

I will keep close to you

I will keep close to you handelt von Phänomenen der expliziten und impliziten Kommunikation. Die auf dem Internationalen Signalbuch (International Code of Signals) beruhenden Arbeiten von Anna Júlía Friðbjörnsdottir geben unsere Versuche wieder, miteinander in Verbindung zu treten und zu kommunizieren, während sie gleichzeitig einen Raum für die damit einhergehenden Zweideutigkeiten, Nebeneffekte und Missverständnisse schaffen. Das Internationale Signalbuch wird auf der ganzen Welt für die Kommunikation in der Schifffahrt verwendet, vor allem in Notfällen oder bei Rettungseinsätzen. Das auf einer internationalen Vereinbarung beruhende System ermöglicht die Übermittlung wichtiger Nachrichten im Morsecode. Indem sie die Signale in ihre Arbeiten als visuelle Übertragung darstellt, veranschaulicht die Künstlerin die Variabilität von Kommunikation, die jeglichen Versuchen der Verständigung zugrunde liegt.

Kommunikation ist das zentrale Thema dieser Ausstellung, die durch die Verwendung von Kupfer in mehreren Arbeiten zudem auf die Ausbeutung natürlicher Ressourcen durch die Menschheit und auf den elementaren Wunsch nach Verbindung verweist. Das für seine hohe Leitfähigkeit bekannte Element wird als Leiterwerkstoff für Elektrizität, Wärme und Daten genutzt und im Periodensystem sogar als Leitungsmetall aufgeführt. Durch seine antiseptischen Eigenschaften weist es zudem eine besondere Nähe zum menschlichen Körper auf, da es in medizinischen Verfahren und Krankenhausgeräten verwendet wird. Die Verwendung von Kupfer spielt auf die Materialität der Kommunikation an und unterstreicht gleichzeitig das Potenzial für Verbindung und Übertragung. Gleichzeitig spiegelt seine Präsenz in der Ausstellung auch die weltweite Abhängigkeit von einer endlichen Ressource wider, da immer mehr Kupfer für erneuerbare Energien abgebaut wird. Der Wunsch nach Kommunikation lässt sich also nicht von seiner sprachlichen Materialität und seinen materiellen Folgewirkungen trennen.

I will keep close to you setzt sich aus vier Signalen zusammen: FO, XL, FA und GT1. FO (I will keep close to you) begrüßt die Betrachter, wenn sie die Treppe in den Ausstellungsraum im Obergeschoss des Künstlerhauses Bethanien hinaufgehen. Das Signal flackert durch eine Kugelleuchte aus dem frühen 20. Jh in kurzen und langen Abständen, deren Rhythmus der Gleichmäßigkeit eines Herzschlags entspricht. Die Präsenz einer Lampe weist nicht nur auf die Geschichte des Gebäudes als Lichtfabrik hin, sondern spielt auch mit dem Licht als Navigationsinstrument, das den Betrachter vom Erdgeschoss aus anzieht. „XL (Visibility is decreasing)“ besteht aus einer Wandinstallation von Kupferplatten, in die die einzelnen Buchstaben des Morsealphabets eingraviert sind. Sie wird durch eine Zeitung mit Drucken ergänzt, die anhand der Kupferplatten realisiert wurden.

Die Zeitung ist gewissermaßen ein Nebenprodukt des Signals, eine Übertragung in ein anderes Medium, bei der die Platten in verschiedenen Zusammenstellungen gezeigt werden, um deren unendlichen Kombinationsmöglichkeiten anzudeuten, jedoch ohne sie je als Ganzes darzustellen – eine nachträgliche Verwandlung, die sowohl vom Signal getrennt als auch ein Teil davon ist.

Um die Idee von Transformationen und Nebeneffekten kreist auch FA (Will you give me my position), ein Kupferrohr, das sich durch den Ausstellungsraum windet und sich zu einer Rauchfahne öffnet. Physisches wird hier in Ephemeres verwandelt, Konkretes geht in Gasform über. Das Signalmuster ist in das Kupferrohr gestanzt, gemäß einer Methode, die bei Telegrammübertragungen verwendet wird. Der Rauch entsteigt den kleinen Löchern, wie ein Sinnbild für das Signal, das sich zu formen sucht. GT1 (Look out for rocket line) schließlich besteht aus Knoten, die in einen elektrischen Kupferdraht eingearbeitet wurden. Die Knoten stellen den Morsecode visuell dar, doch im Gegensatz zu den Druckplatten ist das Signal hier nicht horizontal, sondern vertikal angelegt, womit die Künstlerin nicht nur auf die Orientierung des Betrachters, sondern auch auf die Orientierung der Sprache anspielt.

Visibility is decreasing
Look out for rocket line
Will you give me my position
I will keep close to you

Text: Marina Manoukian

Anna Júlía Friðbjörnsdóttir (geb. 1973 in Reykjavík, Island) studierte in Reykjavík, London und Manchester. Ihre Arbeiten wurden in Island und in zahlreichen Gruppenausstellungen in Skandinavien, Großbrittanien, Deutschland, der Schweiz und Argentinien gezeigt. Ihre Ausstellung Last Season in der Galerie Gudmundsdottir, Berlin, im Jahr 2022 war ihre erste Einzelausstellung außerhalb Islands.

Anna Julia ist Stipendiatin des Icelandic Art Center. Die Ausstellung wird durch den Icelandic Visual Arts Fund gefördert.

Website der Künstlerin: www.annajuliaf.com
Website der Galerie: www.gallerygudmundsdottir.com

AUSSTELLUNG
07.04. – 30.04.2023
Di - So: 14 - 19 Uhr
Eintritt frei

ERÖFFNUNG
06.04.2023
19 – 22 Uhr