KÜNSTLERHAUS

BETHANIEN

Ausstellung

Igor Vidor

Allegory of Terror

Igor Vidor, Reverse goat skull, 2020, Digital print, Maße variabel. Coutesy the artist.

Über viele Jahre hinweg hat die unaufhörliche Gewalt, die die Straßen Brasiliens plagt, in Form von Granaten und Überresten von Auseinandersetzungen einen einzigartigen visuellen Ausdruck gefunden. Sie übersäen die Armenviertel von São Paulo, schreiben sich ein in den kugelsicheren synthetischen Aramidfasern, die die Autos der Reichen bekleiden. Igor Vidor eignet sich solche Materialien, die von europäischen Waffenherstellern und Chemikern produziert werden, häufig in seiner Kunst an – er modelliert die Ästhetik der Gewalt um und berichtet gleichzeitig über tiefgreifende persönliche Erfahrungen mit diesen repressiven Umgebungen. Er reflektiert über die ausbeuterischen Strukturen von Handel und Profit, die in der Vergangenheit und Gegenwart Brasiliens allgegenwärtig sind.

In seiner Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien untersucht Vidor insbesondere die emblematische Verwendung von Tier-Avataren, der sowohl im militärischen Kontext Brasiliens als auch im Heldenkult des Westens auftaucht. Auf verschlungenen Metallstangen sind Abdrücke von chimären Tieren zu sehen, kombiniert mit denen, die in Abzeichen der brasilianischen Strafverfolgungsbehörden zu finden sind. Das luftige Gerüst der Metallstruktur und das weiche, dünne Aramid, auf dem sie gedruckt sind, verweisen auf den nur spärlichen Schleier ihrer Heiligsprechung, der diesen Tiermotiven zum Blutvergießen verliehen wird. Batman, Gotham Citys Kreuzritter mit Umhang, fand mit der Aneignung der Fledermaus als Symbol auch seinen Avatar, als Sinnbild der Angst, im Bereich des Tierischen. Vidor bezieht sich auf dieses popkulturelle Phänomen in der Verwendung einer Sprechblase, die aus seiner ersten Metamorphose in Hero Comics #33 (1939) stammt: Ich muss ein Geschöpf der Nacht sein, schwarz, schrecklich… – Die Verwandlung dient als Rechtfertigung für die Selbstjustiz des Milliardärs gegenüber den mittellosen Verbrechern Gothams, und wir werden sogar ermutigt, ihn beim Kampf gegen seine Opfer anzufeuern.

Ein Geflecht aus Bleidraht und blutverschmierten Bettlaken, das gleich der Tradition brasilianischer Gefängnisflüchtlinge hergestellt wurde, hängt von der Decke herab und verbindet die unterschiedlichen Erzählungen der Ausstellung miteinander – Es geht um den Kampf, der Enge unaufhörlicher Gewalt zu entkommen. Indem Vidor persönliche und globale Konflikte miteinander verknüpft, bleiben die Exponate in einem Zustand ständiger Suspension.

AUSSTELLUNG
19.06. – 12.07.2020
Di - So: 14 - 19 Uhr
Eintritt frei

KÜNSTLERPORTRAIT
Igor Vidor